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Schütze deine Rechte. Erstes vorläufiges Programm des Pirate Cinema Berlin
2005
Das Einzige, was wir von der Berlinale gesehen haben, war eine am Hackeschen
Markt geparkte dunkle Limousine mit der Aufschrift "Cinema for Peace". Was
natürlich gelogen ist, denn seit der Verbindung von Computern mit dem Internet
ist das Kino - ausser einigen völlig marginalen Kinos - ja Kino für den Krieg.
Dieser "Krieg gegen Piraterie" ist zuallererst ein Krieg gegen die eigene
Kundschaft und wird als solcher auch beworben. Sich selbst von hinten, entweder,
"Raubkopierer sind Verbrecher", nach der Verhaftung in Handschellen oder, "hart
aber gerecht", kurz vor der Vergewaltigung durch zwei Mitgefangene, sieht jeder,
der ein Kino oder eine Videothek betritt, und zusätzlich noch mit einer mobilen
Gefängniszelle auf Werbetour zu gehen, ist eine Marketingidee, die selbst der
Waffenindustrie noch nicht gekommen ist. Dann ist der "Krieg gegen Piraterie"
auch ein Krieg gegen die eigenen Angestellten, diese angebliche Arbeiterklasse
des "Geistigen Eigentums", verkörpert durch den Toningenieur, der seine
Krankenversicherung, oder die Kameraassistentin, die die Raten ihrer für das
Studium aufgenommenen Kredite nicht bezahlen kann, und das nicht etwa, weil
ihnen das Eigentum an den Produktionsmitteln vorenthalten wird, die weltweite
Standortkonkurrenz ihr Einkommen drückt oder Versicherungs- und Kreditwesen
aus ihrer Verschuldung ein Geschäft gemacht haben, sondern einzig und allein -
die Ideologiekritik würde an dieser Stelle den Begriff der Traumfabrik bemühen -
wegen der Verbindung von Computern mit dem Internet. Vor allem aber ist der
"Krieg gegen Piraterie" ein Krieg gegen die Revolution: die französische, die
eine Generalisierung der individuellen Rechte, und die digitale, die eine
Generalisierung des individuellen Datenaustauschs durchgesetzt hat. Was das
Kino - mit Ausnahme des französischen und des digitalen - durchsetzen will, ist
die Rücknahme dieser Rechte und die Rücknahme des Tauschs. Ein Verbrecher ist
seitdem nicht nur, wer den Kopierschutz einer DVD umgeht oder eine Videokamera
mit ins Kino nimmt - auf beides stehen in den USA mittlerweile Gefängnisstrafen,
die die für Totschlag übertreffen - sondern jeder, der auf der technologischen
Basisbanalität beharrt, dass digitale Daten sich kopieren lassen und alles, was
zu sehen ist, auch reproduziert werden kann. Doch statt, was einfach wäre, auf
die Bilder zu verzichten, zeigt uns das Kino seine vermeintlichen Rechte:
generalisierte Copyrights, die nie mehr erlöschen und die es, statt bloss
wahrzunehmen, digital zu managen droht. Denn die Enteignung der Leute, so der
Traum des Kinos, muss, um irreversibel zu bleiben, nicht nur juristisch
vollzogen, sondern technisch implementiert werden - ein Krieg, den Orwell sich
nicht einmal im Ansatz und sogar Kafka sich nur zur Hälfe hat vorstellen können,
und von dem noch die geringste Ahnung im Nebel von Public Relations und
Fahrbereitschaften (es war übrigens ein Phaeton: die einzige Luxuslimousine der
Welt, die nach einem Sohn benannt ist, der Vaters Wagen zu Schrott gefahren hat)
zu zerstreuen das Programm der Berlinale ist. Das Kino des 21. Jahrhunderts ist
so sehr "für den Frieden" wie die Drogenfahndung oder die Antiterrorpolizei, und
das "Pirate Cinema" betreiben wir, um vor diesem Kino unsere Rechte zu schützen.
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