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Sunday, June 24, 8 pm
Pirate Cinema Berlin
Tucholskystr 6, 2nd floor
Sicko
Michael Moore, 2007
124 min, 697 MB
Free entry
Cheap drinks
Copies to go
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Wäre Pirate Cinema kein Kino, sondern eine Marktforschungsagentur, dann müssten
wir heute mit einer schlechten Nachricht für die Senator Entertainment AG, den
deutschen Verleiher von Rodriguez' und Tarantinos neuem Film "Grindhouse", den
wir am letzten Wochenende exklusiv voraufgeführt hatten, beginnen. Der wird
nämlich, wie sich aus unseren Zuschauerzahlen <1> leicht extrapolieren lässt,
ein Flop. Zur Verlustminimierung, auch das legen unsere Statistiken nahe, sollte
Senator den Film wieder abstossen und sich stattdessen z.B. die Vertriebsrechte
am Gesamtwerk von Artavazd Peleshian sichern, das nach unserer Prognose fast den
doppelten Umsatz verspräche und mit Sicherheit deutlich günstiger zu haben wäre.
Am kommenden Sonntag zeigen wir den vielleicht einzigen aktuellen Blockbuster,
mit dem sich noch weniger Geld verdienen lässt. Beim Versuch nämlich, eine
Originalkopie seines zum Teil auf Kuba gedrehten Films vor den US-amerikanischen
Behörden, die auf Kuba gedrehte Filme nicht schätzen, in Sicherheit zu bringen,
und zwar über die kanadische Grenze, ist Michael Moore, dem ohnehin eine gewisse
Nachlässigkeit im Umgang mit seinen Filmen nachgesagt wird, eine Kopie dieser
Kopie abhandengekommen, die sich logischerweise sofort im Internet wiederfand,
wo sie binnen Stunden - als bezahlte Dienstleistung hätte das mehr gekostet als
der Film - zum bestverteilten Offsite-Backup der Dokumentarfilmgeschichte wurde.
Die geistigen Eigentümer von "Sicko" machen zwar gute Miene zum bösen Spiel - da
sich der für den 29. Juni geplante Kinostart in den USA nicht mehr vorverlegen
liess, haben sie sich dazu entschieden, den Vorfall als kostenlose Publicity zu
verbuchen und einzelne Kinos bereits ab diesem Wochenende zu "Sneak Previews" zu
verpflichten - doch spätestens bei der internationalen Auswertung wird sich
zeigen, dass ein Film, der mit dem Umstand, dass ihn die begehrteste Zielgruppe
längst kostenlos heruntergeladen hat, auch noch zu bewerben versucht wird, kein
Kassenerfolg werden kann. In Deutschland startet "Sicko" - nein, wir denken uns
das nicht aus, sowas kann man sich nämlich gar nicht ausdenken - am 11. Oktober.
Den Eindruck, Michael Moore habe zur Praxis des Dokumentarfilms oder zur Kritik
des Kapitalismus irgendetwas Sinnvolles beizutragen, haben wir schon in der
Vergangenheit <2> eher zu zerstreuen versucht, und gäbe es jedes Jahr zehn
abendfüllende Dokumentarfilme über das US-amerikanische Gesundheitssystem, dann
bräuchte sich "Sicko" auch niemand anzusehen. Da sich aber ausser Michael Moore
kaum jemand sonst die Mühe macht, zu zeigen, wie, zu wessen Vorteil und zu
wessen Nachteil sich mit immer schlechterer Gesundheitsversorgung immer mehr
Geld verdienen lässt, ist "Sicko" dann doch, selbst wenn die Tagline "This might
hurt a little" insgesamt noch untertrieben ist, ein ziemlich erhellender Film.
Zudem sind die besten Szenen ausgerechnet die, die eigentlich unerträglich sein
müssten, in denen Michael Moore nämlich, bei der Erforschung jener fremden und
seltsamen Gegenden der Welt, die ausserhalb der US-Grenzen liegen, von einem
Klischee ins nächste schlittert. Spätestens wenn er, begleitet von den ersten
Takten von "Je t'aime... moi non plus", durch die Parks von Paris stolpert und
dort fassungslos den rundumgesundheitsversorgten Liebespaaren hinterherstarrt,
lässt er das Genre des klassischen Michael-Moore-Films hinter sich und stapft
plötzlich durch eine Michael-Moore-Film-Parodie - getrieben nur von einer ganz
leisen Ahnung, wie umwerfend ähnlich er sich selbst in dieser Rolle ist.
<1> http://piratecinema.org/screenings/statistics
<2> http://piratecinema.org/screenings
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pirate cinema berlin
www.piratecinema.org
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